Wie funktioniert die Energiebereitstellung im Fasten?

Fasten bedeutet nicht hungern oder leiden. Im Gegenteil: Der Organismus ist darauf eingestellt, auch längere Zeit ohne Nahrungsaufnahme zu leben. In der Entwicklungsgeschichte des Menschen waren oft eher unfreiwillige Nahrungspausen zu überstehen. Er hat daher Strategien entwickelt, Reserven anzulegen und sie in Mangelzeiten zu nutzen.

Es ist wesentlich ökonomischer, Fett zu speichern als Kohlenhydrate. In Form von Fett lassen sich 9 kcal pro Gramm speichern, als Kohlenhydrat lediglich 4 kcal. Zudem sind Kohlenhydrate hydrophil und werden immer gemeinsam mit Wasser eingelagert, so daß zur Energiespeicherung in Form von Kohlenhydraten etwa die vierfache Menge im Vergleich zu Fett eingelagert werden müßte.

 

Der Körper stellt sich um

Im Fasten erfolgt nun eine Stoffwechselumschaltung. Der Organismus schaltet auf eine "innere Ernährung" um: den Fastenstoffwechsel. Zu Beginn des Fastens deckt er seinen Energiebedarf aus den Glycogenreserven, in den folgenden Tagen findet vermehrt eine Gluconeogenese (Glucoseneubildung) aus Aminosäuren statt, und dann stehen in zunehmendem Maße auch die Fettreserven zur Energiegewinnung zur Verfügung.

Bereits am Entlastungstag und am ersten Fastentag wird die Energie hauptsächlich aus dem Glycogen der Leber bereitgestellt. Diese Vorräte sind jedoch begrenzt und nach dem ersten Fastentag nahezu erschöpft. Kohlenhydrate werden aus dem Grund vorwiegend zur Energiegewinnung herangezogen, weil sie im Gegensatz zum Fett schnell zur Verfügung stehen. Zudem sind einige Körperzellen (Nervenzellen, Erythrozyten und Leucozyten) im Normalfall ausschließlich auf Glucose angewiesen, sie können Fettsäuren nicht verstoffwechseln. Auch der Umbau von Fettsäuren in Glucose ist nicht möglich, so daß ohne eine Stoffwechselumschaltung ein mehrtägiges oder gar mehrwöchiges Fasten kaum möglich wäre.

Das Signal für den Fastenbeginn und die Stoffwechselumschaltung ist die Entleerung des Magen-Darm-Traktes durch das Glaubern. Der daraufhin sinkende Blutglucosespiegel zieht ein Absinken des Insulinspiegels und eine vermehrte Ausschüttung von Glucagon und Adrenalin nach sich. Diese Hormone bewirken:

  • eine Glycogenolyse, den Abbau des Leber-Glycogens zu Glucose,
  • eine Lipolyse, die vermehrte Freisetzung von Triglyceriden aus dem Fettgewebe,
  • und eine Proteolyse: Abbau von Protein zu Aminosäuren, die dann zur Gluconeogenese zur Verfügung stehen.

 

Gleichzeitig erleichtert der sinkende Insulinspiegel die Aufnahme von Fettsäuren in die Muskelzellen, die daraus einen steigenden Anteil ihres Energieverbrauchs decken.

 

Für den Fastenstoffwechsel sind zwei Vorgänge besonders kennzeichnend:

Gluconeogenese: die Neubildung von GlucoseÜberwiegend aus glucoplastischen Aminosäuren, daneben aus Glycerin (aus dem Fettgewebe) sowie aus Lactat und Pyruvat (hauptsächlich aus dem Stoffwechsel von Erythrozyten und Leucozyten). Die Gluconeogenese findet vorwiegend in der Leber statt und wird im Verlauf des Fastens bis zu etwa 50 Prozent in die Nieren verlagert. Die neu gebildete Glucose steht nun Nervenzellen, Erythrozyten und Leucozyten zur Verfügung, die auch noch nach Fastenbeginn auf Glucose als Substrat angewiesen sind.

Ketogenese: Umwandlung von Fettsäuren in Ketonkörper Fettsäuren (über 90 Prozent der abgebauten Fettmenge) können im Gegensatz zum Glycerin nicht in Glucose umgebaut werden. Da aber nur ein Teil der Fettsäuren von der Muskulatur genutzt wird, kommt es in der Leber zu einem Rückstau an Fettsäuren bzw. deren Abbauprodukt. Dieses nimmt nun einen biochemischen Umweg, da es auf dem normalen Weg nicht weiter verstoffwechselt werden kann: Es wird aufgebaut zu den Ketonkörpern ß-Hydroxybutyrat, Acetoacetat und Aceton. Diese können nun noch leichter als Fettsäuren von Muskelzellen aufgenommen und verstoffwechselt werden. Das Aceton ist auch für den typischen "Fastenatem" verantwortlich. Ketonkörper stehen nun also zur Energiegewinnung zur Verfügung und haben den angenehmen Nebeneffekt, das sie bei den Fastenden Hungergefühle vermindern.

 

Der Proteinverlust sinkt

Zu Beginn des Fastens verbraucht das ZNS den größten Teil der Glucose. Sein Bedarf liegt bei etwa 140 Gramm pro Tag. Es ist somit verantwortlich, daß anfänglich eine relativ große Menge Aminosäuren zur Gluconeogenese bereitgestellt werden muß: am ersten Fastentag etwa 80 Gramm. Bereits nach wenigen Fastentagen lernen aber auch Nervenzellen die Ketonkörper, die jetzt reichlich zur Verfügung stehen, zu nutzen: Es tritt ein "Proteinsparmechanismus" ein, das heißt, der Proteinverlust sinkt.

Zum Proteinsparmechanismus trägt weiterhin die Zufuhr von geringen Mengen an Kohlenhydraten (durch Fruchtsäfte und Honig) und Protein, z. B. in Form von Buttermilch, bei. Es ist nach wie vor umstritten, aus welchen Quellen die abgebauten Aminosäuren stammen. Unwahrscheinlich erscheint, daß sie ausschließlich aus funktionellem Körperprotein stammen. Im Bereich der Naturheilkunde kann man zudem durch einen geringen Proteinverlust eher einen positiven Effekt beobachten.

Die geschilderte Stoffwechselumstellung zeigt einen außerordentlich ökonomischen Umgang und differenzierten Abbau der Energiespeicher, auch im Sinn einer Schonung lebenserhaltender Strukturen und Reserven.