So gelingen die Aufbautage
Wichtiger und schwieriger als das eigentliche Fasten sind Fastenbrechen und Aufbau. Deshalb sollte dieser Übergang langsam, behutsam und schrittweise erfolgen.
«Jeder Dumme kann Fasten, aber nur ein Weiser kann das Fasten richtig abbrechen.» (George Bernard Shaw). Fastenbrechen bedeutet das Beenden des Fastens sowie Abschiednehmen, aber darüber hinaus auch Neubeginn, Neuaufbau und Überleitung in eine neue Zeit. Die Aufbautage nach dem Fastenbrechen sind also keineswegs ein Entlassenwerden in die alten Fehler der Lebens- bzw. Ernährungsweise. Vielmehr bedeuten sie eine wichtige Nachbehandlungszeit, die sorgfältig geleistet werden sollte, um den Behandlungserfolg zu stabilisieren. Außerdem können jetzt neue Verhaltensweisen praktisch eingeübt werden.
«Im Fasten sollte nicht nur der Gürtel weiter werden, sondern auch der Verstand.»
Wie das Einfasten braucht auch das Nachfasten den äußeren Rahmen der Ruhe. Der Aufbau sollte deshalb zur Streßvermeidung am selben Ort stattfinden wie das Fasten selbst (d. h. in der Gruppe und in der Klinik bzw. dem Gruppenraum bei ambulantem Fasten). Die Fastenzeit als Zeit der Muße bietet eine gute Gelegenheit, die eigene Ernährungs- und Lebensweise zu überdenken. Das Fastengefühl, oft mit "leicht und fit" umschrieben, wird meist als so angenehm empfunden, daß die Motivation geweckt wird, auch über die Fastenzeit hinaus etwas für das Wohlbefinden zu tun. Für gesunde Faster sollte die Aufbauzeit deshalb ein Übergang zur Vollwert-Ernährung bedeuten. Für kranke Faster besteht nach dem Fasten die Möglichkeit, auf eine den Besonderheiten der Krankheit angepaßte Kost umzusteigen. Bei Patienten wird oftmals durch die Erfahrungen im Fasten erst die Sensibilität für die Ernährungsabhängigkeit ihrer Krankheit geweckt. Jetzt sind sie motiviert für eine Ernährungsumstellung. Ideal ist, wenn während der Fastenzeit bereits die Möglichkeit der Schulung bzw. Beratung besteht und nach der Fastenzeit Lehrküchenveranstaltungen und weitere Treffen angeboten werden können.
Wie das Fasten selbst in verschiedenen Varianten durchgeführt werden kann, unter Beachtung methodischer Gemeinsamkeiten, so gilt dies analog für den Aufbau. Auf der Basis dieser Grundsätze sind verschiedenste Spielarten des Aufbaus möglich, die abhängig sind von Faktoren wie Alter, Geschlecht, Konstitution, Krankheiten, zeitlichem Rahmen und äußeren Rahmenbedingungen.
Was passiert bei der Rückführung des Stoffwechsels und was ist folglich bei der Ernährung während der Aufbautage zu berücksichtigen?
Verdauung und Stoffwechsel werden behutsam wieder "zurückgeschaltet" von innerer auf äußere Ernährung und von Ausscheidung auf Absorption. Die Adaptation dauert ca. eine Woche. Die Aufbauzeit sollte mindestens ein Drittel der Länge der Fastenzeit betragen, auf jeden Fall aber vier volle Tage. Sowohl beim stationären wie auch beim ambulanten Fasten sollte dies bei der zeitlichen Planung berücksichtigt werden.
Wichtig ist weiterhin reichlich zu trinken, mindestens 1 bis 2 Liter täglich. Das dient zum einen zur besseren Durchfeuchtung der Schleimhäute des Verdauungstraktes, denn die Schleimhäute sind im Fasten eher trocken. Magen und Darm haben im Fasten nur Basalsekretion zu leisten. Sie müssen im Aufbau wieder Schleim und Verdauungssekrete bilden. Dazu benötigen sie Flüssigkeit. Speziell die Durchfeuchtung des Darmes ist für die Stuhlproduktion und eine gute Konsistenz des Stuhles erforderlich. Deshalb gilt dem ersten Stuhlgang nach dem Fasten auch besondere Aufmerksamkeit. Er sollte bis zum 3. bis 4. Nachfastentag spontan erfolgen.
Zum anderen muß der Kreislauf aufgefüllt und damit stabilisiert werden. Die einsetzende Verdauungstätigkeit zieht ca. 20 Prozent der Blutmenge in den Verdauungstrakt. Durch diese geänderte Druckverteilung im Körper sinkt die körperliche Leistungsfähigkeit zu Beginn der Aufbauzeit kurzfristig. Zur Anpassung an die wieder veränderten Verhältnisse lagert der Körper ca. 500 bis 800 ml Wasser ein. Dies ist sinnvoll und notwendig. Um die Verdauungssäfte nicht zu stark zu verdünnen, ist es grundsätzlich besser zwischen und nicht zu den Mahlzeiten zu trinken.
Damit die Wassereinlagerung nicht über das physiologisch nötige Maß hinaus erfolgt, sollte im Aufbau so salzarm wie möglich gegessen werden. Der stark entwässerte Organismus des Fasters verträgt im Aufbau nichts schlechter als Kochsalz. Da Salz große Mengen Wasser bindet, fühlt sich der Faster nach der Leere und Leichtigkeit des Fastens schwer und aufgedunsen. Der Fastenerfolg ist damit “versalzen”.
Die ganze Eßkultur soll auf eine neue Basis gestellt werden. Konzentriert langsames, genußvolles, schweigendes Essen ist anzustreben.
Die sorgfältige Zerkleinerung und das Einspeicheln stellt eine Grundvoraussetzung für bekömmliches und genußvolles Essen dar. Das Abschlucken zu großer Nahrungsstücke verursacht vielfältige Störungen, z. B. zu schnelle Passagezeit und damit schlechte Ausnutzung der Nahrung. Unverdaute und unresorbierte Nahrung gelangt in tiefere Darmabschnitte und wird von Bakterien zersetzt, Folgen sind Gärung und Blähbauch.
Während des Fastens ist das Hungergefühl durch eine gründliche Entleerung von Magen und Darm verschwunden. Mit Fastenbrechen und Aufbau fängt der Körper wieder, an Verdauungssäfte zu produzieren und entwickelt Hunger. Dieser Hunger signalisiert den physiologischen Bedarf des Körpers nach Essen.In der Aufbauzeit können Hunger und Appetit besonders deutlich unterschieden werden, die Orientierung an echten körperlichen Bedürfnissen funktioniert wieder. Trotzdem kann noch einige Disziplin erforderlich sein, um nicht wieder in die alten Gewohnheiten zu verfallen, das heißt auf Gelüste sofort mit Essen zu reagieren bzw. keinen kleinsten Hunger zuzulassen. Wichtig ist auf genügend lange Pausen zwischen den Mahlzeiten zu achten. Auch das Sättigungsgefühl wird wieder bewußter wahrgenommen.
Der Fastende nimmt Sinneseindrücke intensiver wahr. Geschmack, Geruch und Farbe der Speisen bekommen einen höheren Stellenwert. "Genuß ist keine Frage der Menge." Die Geschmacksschwellen für salzig und süß sinken, neue Geschmackserfahrungen mit Kräutern und Gewürzen oder alternativen Süßungsmittel werden als angenehm empfunden. Gedanken über die "inneren Werte" der Nahrung treten in den Vordergrund. Merkmale wie saisonal, regional, möglichst wenig bearbeitet, wenn möglich aus ökologischem Anbau werden wichtig. In der Aufbauzeit werden Reaktionen des Körpers auf bestimmte Nahrungsmittel besonders gut wahrgenommen (Körpersignale). Es fällt leicht, ungünstige Eßgewohnheiten durch körperverträglichere zu ersetzen, da der Erfolg sofort spürbar ist. Allergene können in dieser Phase besonders gut ausgetestet werden.
In der Natur spielen Rhythmen eine wichtige Rolle. Nahrungsaufnahme, Verdauung und Ausscheidung erfolgen zu bestimmten Zeiten, je rhythmischer, desto problemloser. Nach dem Fasten beginnen viele mit einer Neuorganisation des Alltagslebens mit dem Ziel einer besseren Anpassung an ihre Bedürfnisse. Für die Ernährung ergeben sich dabei sehr wirksame, sofort zu realisierende Maßnahmen, wie z. B. sinnvolle Mahlzeitenverteilung und -frequenz (individuell, typgerecht, alltagstauglich), leichte Kost, besonders in den Abendstunden, und ausreichende, regelmäßige Flüssigkeitszufuhr. Motivation zur regelmäßigen Durchführung von Schalttagen, z. B. mit Reis, Obst, Gemüse im Alltag, und natürlich von regelmäßigen wiederholten Fastenperioden darf hier nicht fehlen.
Diese Fragen verlangen Aufarbeitung während des Fastens, Einüben im Aufbau und Umsetzen im Alltag und sind immer wieder Thema in der Fastengruppe. Essen als Ersatzbefriedigung bei Ärger, Frust, Langeweile, zum Verdrängen unbewältigter Konflikte, Ablenkung, zum Ausgleich innerer Spannungen, als reine Genußquelle, achtloses Schlingen usw. ist ein Thema unserer Zeit. Gedanken zum Essen bezüglich Menge, Qualität, Verfügbarkeit, Genuß, Ersatz, als kulturelles und soziales Element treten im Fasten hervor. Alternativen zum Eßzwang werden gesucht und gepflegt, z. B. Musik, Handarbeit, Bewegung, Entspannung, Lesen.
Für Gesunde bzw. Standardaufbau (ovo-lactovegetabile leichte Vollwert-Ernährung) Der behutsame Einstieg in eine gesunde Vollwert-Ernährung gelingt am besten über eine leichte Vollwertkost. Es werden also vorerst Nahrungsmittel weggelassen, die erfahrungsgemäß häufig Unverträglichkeiten erzeugen (z. B. Hülsenfrüchte, Kohl, Paprika), bzw. entsprechende Zubereitungsarten vermieden (scharf braten, panieren, zu viel Frischkost usw.). Im Aufbau sind die Mikronährstoffe wichtig (Vitamine, Mineralstoffe), aber auch mehrfach ungesättigte Fettsäuren und bioaktive Stoffe.
Aufbaukost soll reich an Faserstoffen sein, da diese für einen angenehmen Füllungszustand von Magen und Darm und somit für Sättigung sorgen. Voraussetzung dafür ist, daß ausreichend getrunken wird.Faserstoffe sind reichlich enthalten in Vollgetreide, Frischkost, Salaten und Obst. Frischkost wird im Aufbau in der Regel gut vertragen, wenn sichergestellt werden kann, daß sie gut gekaut wird (individuelles Vorgehen!). Zur zusätzlichen Verdauungsanregung können eingeweichtes Trockenobst, Milchsäure in fettarmem Joghurt oder Buttermilch und unter Umständen ein Glas Sauerkrautsaft (aber salzarm!) eingesetzt werden.
Resorption und Stoffwechsel müssen langsam "hochtrainiert" werden, da sich während des Fastens aufgrund von Sparmechanismen der Grundumsatz reduziert, z. B.: 1. Aufbautag 800 kcal, 2. Aufbautag 1000 kcal, 3. Aufbautag 1200 kcal. Wird im Aufbau zu schnell wieder zuviel gegessen, so wird dieses Zuviel in Depotfett umgewandelt.
Kohlenhydrate sind relativ leicht zu verstoffwechseln. Sie stellen außerhalb des Fastens die wesentliche Energiequelle des Organismus dar. Quellen sind überwiegend Vollgetreide und Obst, während raffinierte Kohlenhydraten vermieden werden sollten. Fette haben doppelt so viel Energie und benötigen die Galle der Leber, die nur langsam wieder zum Fließen gebracht werden soll. Deshalb sollte in der ersten Woche möglichst kein tierisches Fett, allenfalls kleinste Mengen Milchfett in Form von Sauermilchprodukten verzehrt werden.
Außerdem sollten möglichst hochwertige mehrfach ungesättigte Fettsäuren in Form von kaltgepreßten Pflanzenölen zugeführt werden, z. B.: 2 Eßlöffel Sonnenblumenöl oder 2 Teelöffel Leinöl pro Tag. Proteine erfordern den höchsten Stoffwechselaufwand. Deshalb anfangs nur wenig, überwiegend Milcheiweiß zuführen, andere tierische Eiweiße erst später. Besondere Beachtung dient einer salzarmen Lebensmittelauswahl und Zubereitung (s.o). Weiterhin sollten im Aufbau möglichst noch Kaffee, Schwarztee und Alkohol weglassen werden. Nach den Mahlzeiten sind Ruhezeiten anfangs noch wichtig, weiterhin mit Leberauflage. Generell sollte ausreichende Bewegung beibehalten werden, um unangenehme Kreislaufreaktionen zu vermeiden.
Regeln für die Kost im Aufbau: so einfach wie möglich und so wenig wie nötig, schmackhaft und ausgewogen zubereitet, dekorativ angerichtet. Wichtig sind eine fachkompetente Begleitung und Motivation.
1. Aufbautag (ca. 600 kcal)
Früh: Matetee oder RosmarinteeVormittag: 1 gedünsteter Apfel oder 1 reifer roher ApfelMittag: Kartoffeln und Gemüse (meist als Suppe)Abends: Kartoffeln und verschiedene Gemüsesorten
2. Aufbautag (Getreidetag oder Kartoffeltag) (600 - 800 kcal)
Früh: Müsli aus Getreideflocken, eingeweichten Trockenfrüchten und Sauermilchprodukt oder: Kartoffeln und Quark-Öl-CremeMittag: Getreide und Gemüse oder Kartoffeln und GemüseAbends: s. Mittag
Sowohl in der Zubereitung (Kochen, Dünsten, Dämpfen, Backen) als auch in der Auswahl der Gemüsesorten und der Getreidearten sollte auf Abwechslung geachtet werden. Es hat sich bewährt, während der ersten beiden Aufbautage gedünstete Speisen anzubieten (bißfest gegart!), danach werden zusätzlich Frischkost in Form von Salaten und Obst empfohlen.
3. Aufbautag (leichte Vollwertkost ca. 800 kcal)
4. Aufbautag
5. Aufbautag (leichte Vollwertkost ca. 1000 kcal)
6. Aufbautag
danach Vollwertkost nach Speiseplan auf 1200 oder 1700 kcal.
Der Aufbau stellt eine kritische und alles weitere entscheidende Phase der Fastenkur dar. Trotzdem gibt es darüber nicht allzu viel zu sagen, da nach einer guten Fastenerfahrung der Faster sehr sensibel spürt, welche Nahrung und wieviel davon gut für ihn ist. Meist entsteht ein Bedürfnis nach einfachem bescheidenem Essen. Fertige Rezepte sollten als Empfehlungen verstanden werden und können und sollen deshalb durch Intuition individuell umgestaltet werden.